Nachruf Hanna Stobbe

„Ohne Hanna Stobbe würde es weder die TG Mannheim geben, noch das Leistungszentrum.“

Sie galt als nahezu unverwüstlich, war Zeit ihres Lebens geistig und körperlich fit, doch am 7. September ist die „Powerfrau“ Hanna Stobbe, die auch vor „heißen Eisen“ nie zurückschreckte,  im Alter von 94 Jahren verstorben. Am 23. Mai 1930 in Freiburg geboren, wuchs sie in Braunschweig auf, studierte in Kiel Volkswirtschaftslehre, wurde über die Station Berlin mit ihrem Mann, dem Universitätsprofessor Alfred Stobbe,  1964 in Mannheim sesshaft und prägte mehr als fünf Jahrzehnte das Sportgeschehen in der Region.

Die Töchter waren schuld daran, dass die gelernte Schwimmerin und Kunstspringerin als Quereinsteigerin 1966 an das Turnen geriet.  Sie befasste  sich – ganz Wissenschaftlerin – so intensiv mit der neuen Materie, dass sie eine Trainer- und Kampfrichterlizenz machte, im Badischen Turnerbund (BTB) für das Kunstturnen und das Kampfrichtern verantwortlich war und 1978 auch Bundeskunstturnwartin wurde. „Hanna war ein Glücksfall für Baden und Mannheim, denn sie versuchte, was in Sachen Leistungsturnen alles zu machen ist“, bekannte der ehemalige BTB-Vizepräsident Gerfried Dörr anlässlich ihres 75. Geburtstages 2005 und charakterisierte sie wie folgt: „Sie ist zielgerichtet jede Herausforderung angegangen, Probleme sah sie höchstens als Hürden, die es schnell zu überwinden galt.“ Auch wenn das nicht immer ohne Auseinandersetzungen ging. Beispiel gefällig? Es dauerte seine Zeit, bis die Mannheimer Turngauvereine die Chancen des von Stobbe initiierten übergreifenden Leistungszentrums erkannten. Dass hierfür nach sechsjährigem Kraftakt endlich 1975 die TG Mannheim gegründet, und dass nach 25-jährigem Kampf auch die  Gerätturnhalle im Pfeifferswörth gebaut wurde, ist Beweis für ihre Ausdauer. „Es war die einzige Chance für den Leistungssport. Aber es durchzusetzen, war ein harter Kampf, denn keiner gönnte es Mannheim. Erste Priorität in Baden hatten Heidelberg und Herbolzheim. Aber die Stadt Mannheim verhielt sehr gut“, erinnerte sich Stobbe bei ihrem 80. Geburtstag. Jahrelang leitete sie das LZ selbst und beobachtete bis zuletzt mit Stolz und Freude die Entwicklung der Talentschmiede zum erfolgreichen Bundesstützpunkt.

Als Bundeskunstturnwartin packte sie 1978/79 ein ganz heißes Eisen an, als sie vor internationalen Wettkämpfen ein zentrales Training für die Nationalmannschaft forderte. Die Heimtrainer opponierten und Stobbe disqualifizierte deshalb kurz vor der WM in Fort Worth (USA) den gesamten Kader. Seither werden  solche Trainingslager nicht mehr in Frage gestellt.

Im TSV 1846 Mannheim engagierte sich Hanna Stobbe seit 1966 in vielen ehrenamtlichen Funktionen, stand zwischen 1981 und 1990 als eine von nur zwei Frauen in Deutschland an der Spitze eines Großvereins, setzte nachhaltige Trends und  machte ihn schon damals zu einem Dienstleistungsunternehmen. „Zuerst dachten wohl alle, ich würde jetzt eine Art Vereinsmutter“, erinnerte sie sich 2005. „Aber das war mein Vorgänger viel mehr als ich“, legte sie nach ihrer Wahl ein mächtiges Tempo bei der Umstrukturierung vor. Sie hatte auch keine Scheu davor, eine von nur zwei Frauen unter den Vorsitzenden der deutschen Großvereine zu sein. „Die Kollegen hielten mich erst für eine kleine, zarte, schwache Frau, was ich zunächst auch voll ausnutzte“, hatte sie – „ich bin emanzipiert geboren“ – keinerlei Profilierungsprobleme. 

Die Ehrenvorsitzende  des TSV 1846 betätigte sich in Mannheim auch kommunalpolitisch, in den 90er Jahren kandidierte sie ohne Partei im Hintergrund gegen Lothar Mark als Sport- und Kulturbürgermeisterin. Nebenbei arbeitete sie freiberuflich  auch immer wieder als Wirtschaftswissenschaftlerin.

Nach ihrem 80. Geburtstag 2010 zog sie sich von der vordersten Front zurück, blieb aber im Hintergrund aktiv und trieb die Bildung des Sportparks Neckarplatt/Pfeifferswörth voran. Ihr Engagement wurde u. a. mit dem Bundesverdienstkreuz, der Sportplakette der Stadt Mannheim, der Kolbplakette und dem Ehrenbrief des Deutschen Turnerbundes gewürdigt.

Hanna Stobbe war nie nur eine Frau der Tat, sondern auch geschliffener, kritischer und klarer Worte. Hier einige für sie typische Zitate, die aus Interviews von 2010  und 2018 stammen:

„Ich habe vor 25 Jahren den TSV 1846 aus dem Tiefschlag geweckt und ihm ein neues Profil gegeben. Neugründungen wie die Bowling- Gesundheitssport- und Aerobic-Abteilung, die Initiierung des Damen-Degen-Turniers, die Anschaffung eines Kunstrasens, die Einführung von Sport für Herz- und Parkinsonkranke oder geistig Behinderte waren aber nicht meine Erfindungen. Ich machte damals im Beirat des Deutschen Sportbundes aber immer lange Ohren für das, was gerade los war und bin immer zum richtigen Zeitpunkt auf den Zug aufgesprungen.“ (2010)

„Ich stehe im 89. Lebensjahr und sehe die großen Dinge lockerer und gelassener. Aber ich wünsche mir, dass in der großen Politik und Wirtschaft alle auch mal den gegenseitigen Standpunkt sehen. Es geht am Ziel vorbei, wenn man immer nur böse aufeinander ist.“

„Ich bin eine intensive Zeitungsleserin. Ein täglicher Aufreger am Morgen sind Überschriften, die nicht zum Artikel passen. Würde mir ein Redakteur gegenüber sitzen, gäbe es lebhafte Gespräche. Man wird im Alter krittliger, ich könnte 1000 Leserbriefe schreiben, tue es aber nicht, weil es nichts hilft. Aber sich über kleine Dinge aufzuregen, ist ein Lebenselixier.“

„Ich habe Zahlenfriedhöfe – sprich  Statistiken in Prosa verwandelt. Das ging auch später während es Stillens meiner Kinder. Es befriedigt mich  heute mehr und mehr, dass   Kollegen mich als Wirtschaftswissenschaftlerin anerkannt haben, und dass ich noch gelegentlich zitiert werde. In Mannheim war ich eher die Kollegenfrau.“

„Gerätturnen im Verein (das ist unglaublich wichtig, darf auf keinen Fall verschwinden) und Turnen als olympischer Leistungssport sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.“

„Meine eigene sportliche Tätigkeit beschränkt sich auf Schwimmen im Urlaub – alles andere ist zu aufwendig – und Doppelkopf mit drei robusten, harten Männern. Seit über 30 Jahren treffen wir uns einmal wöchentlich und gehen das Spiel sehr sportlich an: Ein Glas Wein oder Bier gibt es erst hinterher.“

„Ich verfolge mit großer Aufmerksamkeit, was sich – regional und bundesweit – im Turnen, Hockey, Handball, Eishockey und auch im Fußball abspielt. Als Braunschweigerin wurde ich von der Eintracht geprägt und es ist toll, dass Mannheim in so vielen Sportarten eine Rolle spielt. Ich beobachte auch mit Freuden die Entwicklung des TSV 1846 und dass das Kunstturnen weiterlebt.“

„Als kurz nach unserem Umzug von Berlin nach Mannheim eine meiner Töchter in einem Lebensmittelladen eine Dosen-Pyramide zerdepperte, erwartete ich eine Schimpfkanonade. Doch die sehr stattliche Verkäuferin beugte sich zu dem Kind runter und fragte: ‚Mädle, hosch der weh getaa?‘ Von Stunde an war ich im Herzen Mannheimerin.“  Sibylle Dornseiff

Infobox :

Hanna Stobbe wurde am 23. Mai 1930 in Freiburg geboren, wuchs in Braunschweig auf, studierte in Kiel Volkswirtschaftslehre und arbeitete immer wieder für das dortige Institut für Weltwirtschaft. Über die Station Berlin kam sie 1964 nach Mannheim. Die Witwe des Uni-Professors Alfred Stobbe hatte drei Töchter und drei Enkelkinder. Sie starb am 7. September 2024.

Stobbes sportliches Element war das Wasser (Schwimmen, Kunstspringen), doch wegen ihrer Kinder engagierte sie sich im Turnen: als Trainerin, internationale Kampfrichterin, Landes- und Bundeskunstturnwartin (1978/79).

Sie trat 1966 in den TSV 1846 Mannheim ein, war technische Leiterin (1974-78), Kassier (1979-81), 1. Vorsitzende (1981-90) und ist Ehrenvorsitzende. 1975 initiierte sie das Leistungszentrum Mannheim mit der TGM als Trägerverein.

Sie erhielt u.a. das Bundesverdienstkreuz (1989), die Sportplakette der Stadt Mannheim, die Kolb-Plakette und den Ehrenbrief des DTB. sd

Text: Sibylle Dornseiff